Stellungnahme des Legal Tech Verband Deutschland
Zur Evaluierung des Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht durch das Bundesministerium der Justiz (Az. 752522#00002#0008)
Der Legal Tech Verband Deutschland (im Folgenden “Verband”) setzt sich für die Gestaltung eines fortschrittlichen und innovationsfreundlichen regulatorischen Umfelds ein, das Rechtssicherheit für Legal Tech Unternehmungen innerhalb und außerhalb von Rechtsanwaltskanzleien schafft. Wir bedanken uns für die Möglichkeit der Teilnahme an der vorliegenden Evaluierung.
1. HINTERGRUND
Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) führt derzeit eine Evaluierung des Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht durch, das im Oktober 2022 in Kraft getreten ist.
Grund für die Evaluierung ist die seinerzeitige Bitte des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages, das Gesetz nach Ablauf von zwei Jahren insbesondere zu der Frage zu evaluieren, „ob sich die von dem Gesetzentwurf schwerpunktmäßig angestrebte Senkung der Inkassokosten auf ein angemessenes Maß ohne nennenswerte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Basis für die Tätigkeit der Inkassodienstleister realisiert“ hat (vgl. dazu die BT-Drs. 19/24735 v. 25.11.2020, S. 12, Ziff. I. 1.).
Das BMJ gab mit Schreiben vom 27. September 2023 den Justiz- und Verbraucherschutzministerien der Länder sowie den Verbänden die Möglichkeit, zu der vorgenannten Frage als auch zu weiteren Gegenständen des o. g. Gesetzes Stellung zu nehmen. Dabei wurden konkrete Fragen gestellt, die sich je nach Empfänger unterschieden. Die Bitte an den Legal Tech Verband Deutschland bezog sich darauf, zu den Anmerkungen des Deutschen Anwaltverein (DAV) und der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) Stellung zu nehmen; diese wiederum sollten in ihren Stellungnahmen den Schwerpunkt auf folgende Fragen legen:
„(…) Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) hatten hier bereits in anderem Zusammenhang angeregt, den Anwendungsbereich des Absatzes 2 der Num- mer 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG zum einen auf vertragliche Forderungen und zum anderen auf Forderungen gegenüber Verbrauchern zu beschränken. BRAK und DAV wer- den insoweit um eine (möglichst auch um Beispielsfälle und soweit vorhanden Rechtsprechung ergänzte) ausführlichere Darstellung gebeten, welche Probleme aus dortiger Sicht aus der gel- tenden Rechtslage resultieren.“
2. ANMERKUNGEN DER BRAK
Soweit ersichtlich liegt (noch) keine Stellungnahme des DAV vor. Die BRAK hingegen hat mit Stellungnahme Nr. 4/2024 von Januar 2024 eine Reihe von speziellen gebührenrechtlichen, aber auch allgemeine Fragen kommentiert. Sie hat dabei an ihren damaligen Protest gegen die Neuregelung erinnert, dem sich der Gesetzgeber verschlossen hatte. Nunmehr hat sie die „große Bitte an den Gesetzgeber“ geäußert, die getroffenen Regelungen „in Gänze zu überdenken“. Im Wesentlichen geht es der BRAK darum, die durch die Rechtsprechung des BGH sowie die in dem zu evaluierenden Gesetz vorgenommene Erweiterung der Inkassobefugnis zurückzunehmen. Als Argumentation wird aufgeführt, die Neuregelung schwäche die Position der Anwaltschaft, führe in vielen Fällen zu schwer zu bewältigenden Abgrenzungsproblemen und wirke sich außerdem negativ auf den Verbraucherschutz aus.
3. KERNFORDERUNGEN DES LEGAL TECH VERBAND DEUTSCHLAND
Unsere Forderungen auf einen Blick:
- Die heutige Regelung der Inkassobefugnis muss beibehalten bleiben, denn sie schafft mehr Rechtssicherheit für Verbraucher und Anbieter von Inkassorechtsdienstleistungen als vorher.
- Die Nichtigkeitsfolge bei Überschreitung der Inkassobefugnis muss beseitigt bzw. der Rechtsprechung des BGH angepasst werden. Denn nach wie vor steht die Beauftragung von Rechtsdienstleistern unter dem Damoklesschwert des § 134 BGB, wenn sich komplexe juristische Risiken verwirklichen, die für juristische Laien nicht nachvollziehbar sind. Diedifferenzierte Handhabung des BGH wird in der Praxis kaum beachtet. Das ist eine Belastung für Verbraucher, denn sie verlieren Rechte aufgrund von Umständen, die sie selbst nicht überblicken oder in ihr Risikomanagement einfließen lassen konnten. Hätte dies aber auch die Folge, die verfassungsrechtlich geschützte Tätigkeit der Inkassodienstleister über diese Drohung zu erschweren, läge ein unverhältnismäßiger Eingriff vor.
- Die außergerichtlichen Rechtsdienstleistungsbefugnisse nichtanwaltlicher Rechtsdienstleister müssen über den Katalog des § 10 RDG hinaus erweitert werden (die ohnehin schon gewährten Erleichterungen in §§ 6 ff. RDG müssen beibehalten bzw. an die Erweiterung angepasst werden). Denn der Katalog des § 10 RDG ist eine Sammlung verschiedener Tätigkeiten, die miteinander nichts zu tun haben und nur historisch zu verstehen sind. Angesichts des stetig wachsenden Zulaufs zu Legal Tech Rechtsdienstleistern zeigt sich ein unwiderlegbares Bedürfnis von Verbrauchern nach niedrigschwelligen Rechtsberatungsdienstleistungen und -produkten neben oder unterhalb der Anwaltschaft. Dieses Bedürfnis wird von der Anwaltschaft nicht befriedigt, was wiederum angesichts der oft niedrigen Streitwerte ökonomisch verständlich ist. Eine Lösung dieses Ausfalls der Anwaltschaft bietet die BRAK nicht an, vielmehr besteht ihr Bestreben darin, diese alternativen Dienstleister zu beseitigen. Im Ergebnis würde sich der Zugang zum Recht bei Wegfall des alternativen Angebots damit erheblich verschlechtern.
4. ERLÄUTERUNGEN
Unsere Forderungen und Vorschläge erläutern wir über die bei den Forderungen angegebenen Gründe hinaus wie folgt:
a) LEGAL TECH RECHTSDIENSTLEISTUNGSANBIETER UND VERBRAUCHER- SCHUTZ
Nichtanwaltliche Legal Tech Rechtsdienstleister spielen im Gefüge der Rechtsdienst- leistungen für Verbraucher eine wichtige Rolle. Da Rechtsanwälten nach § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO verboten ist, dem Verbraucher Prozessfinanzierungsmodelle anzubieten, können nur nichtanwaltliche Legal Tech Rechtsdienstleister dem Verbraucher Rechtsdienstleistung ohne Kostenrisiko („no win, no fee“) anbieten. Das Angebot derartiger “kostenloser” Rechtsdienstleistungen am Verbraucherrechtsmarkt ist aber schlechthin konstituierend für die Ermöglichung der Durchsetzung aller Verbraucheransprüche. Denn nur durch das technisch bedingte Heben von Effizienzen und die Bündelung von Know-how können nichtanwaltliche Rechtsdienstleister qualitativ hochwertige Dienstleistungen am “eng-margigen” Verbraucherrechtsmarkt anbieten. Die dafür notwendigen Investitionen in Technologie sind insbesondere deshalb möglich, weil diese Rechtsdienstleister – im Gegensatz zur Anwaltschaft – weitergehende Finanzierungsmöglichkeiten einschließlich der Aufnahme von Investoren haben.
Die Tätigkeit der nichtanwaltlichen Rechtsdienstleister dient damit dem Verbraucher- schutz. Die entgegenstehende Behauptung der BRAK ist evidenzfrei und unzutreffend. In einem Gutachten für die verbraucherzentrale Bundesverband, die den Belangen des Verbraucherschutzes sicherlich nähersteht, heißt es zur Rolle von Legal Tech Anbietern:
„Legal Tech-Dienstleister erfüllen im Ausgangspunkt eine nützliche Funktion bei der Durchsetzung des Verbraucherrechts, wo sie Bereiche abdecken, die von anderen Akteuren, insbesondere der Anwaltschaft, der Schlichtung, aber auch den Verbraucherorganisationen mit ihren begrenzten Ressourcen nicht vollumfänglich bedient werden. Insgesamt scheinen die Kund:innen – Verbraucher:innen wie Nicht-Verbraucher:innen– mit den Dienstleistungen auch weitgehend zufrieden zu sein, was nicht heißen soll, dass es im Einzelfall nicht zu Problemen gekommen wäre.“
(Rott, Verbraucherpolitischer Handlungsbedarf bei Legal Tech? – Gutachten vom 2.12.2023 für die „verbraucherzentrale Bundesverband“ (vzbv), VII. Zusammenfassung, S. 75).
Trotz der im Einzelfall vorkommenden Probleme, die in dem Gutachten aufgezeigt werden, wurde in dem Gutachten eine Beschränkung der Inkassoerlaubnis gerade nicht vorgeschlagen, sondern beklagt, dass viele erst- und auch zweitinstanzliche Gerichte in zu vielen Einzelfällen nicht der Rechtsprechung des BGH folgen. Das Gutachten fordert im Weiteren die Schaffung von Rechtssicherheit und Klarheit sowie eine Erweiterung der Bereiche, in denen Legal Tech Rechtsdienstleister tätig werden dürfen.
(Rott, Verbraucherpolitischer Handlungsbedarf bei Legal Tech? – Gutachten vom 2.12.2023 für die „verbraucherzentrale Bundesverband“ (vzbv), S. 32, 34).
Zu den von der vzbv angesprochenen Problemen gehört insbesondere eine unzureichende Kommunikation der Anbieter mit ihren Kunden. Diese Kommunikationsprobleme einschließlich ausbleibender Erläuterungen von Entscheidungen von Legal Tech Dienstleistern findet man allerdings nicht nur bei nichtanwaltlichen Rechtsdienstleistern. Auch Rechtsanwälte müssen sich regelmäßig vor den Kammern rechtfertigen, wenn Mandanten sich mit Beschwerden über Verstöße nach § 11 BORA an die Kam- mern wenden. Verstöße gegen §§ 11 und 12 BORA sowie die Verletzung von § 43a Abs. 4 BRAO gehören zu den am häufigsten vorgetragenen Mandantenbeschwerden. Niemand käme auf die Idee, die Reichweite des § 3 BRAO wegen solcher Fehlleistungen von Anwälten einzuschränken. Wenn es also auch bei Rechtsdienstleistern solche The- men gibt – ausnahmsweise, wie das Gutachten zeigt –, dann ist das nichts, was eine insgesamte Befugnisbeschränkung rechtfertigen könnte.
Daraus folgt zunächst: Gründe des Verbraucherschutzes sprechen gerade nicht für eine Einschränkung der Inkassobefugnis. Das Gegenteil ist der Fall. Möglicherweise entstehen viele Auseinandersetzungen über die Reichweite der Inkassoerlaubnis gerade deshalb, weil es keine allgemeine nichtanwaltliche Rechtsdienstleistungsbefugnis gibt, was zu einer gewissen Kreativität der Legal Tech Anbieter bei der Produktgestaltung führt, die aber wiederum vom BGH in mehreren Entscheidungen verschiedener Zivilsenate gebilligt wurde. Eine allgemeine nichtanwaltliche Rechtsdienstleistungsbefugnis unterhalb der Anwaltschaft würde das beseitigen.
b) NICHTIGKEIT DER FORDERUNGSABTRETUNG BEI ÜBERSCHREITUNG DER INKASSOBEFUGNIS
Handelt ein Rechtsdienstleister außerhalb seiner Befugnis, liegt ein Verstoß gegen § 3 RDG vor. Dies könnte sogar zur Nichtigkeit der Forderungsabtretung an den Rechts- dienstleister führen. Teile der Wissenschaft vertreten, dass die Rechtsfolge der Nichtigkeit unabhängig davon eintritt, ob ein Dienstleister die Befugnis vorsätzlich oder (leicht) fahrlässig überschritten hat, oder ob es sich um eine leichte oder weitreichende Überschreitung handelt.
Damit ist die Beauftragung eines Rechtsdienstleisters, wiewohl von der Rechtsordnung gebilligt, stets riskant für einen Verbraucher, der von den Hintergründen nichts weiß oder ahnt, gleichwohl derjenige ist, der letzten Endes seine Rechte verliert, weil diese etwa wegen der nichtigen Abtretung verjährt sind. Diese ausnahmslose Rechtsfolge der Nichtigkeit hatte bereits das BVerfG in seiner Entscheidung Inkasso I kritisiert und insbesondere gefordert, dass eine Nichtigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung nicht auf die Abtretungsebene durchschlagen sollte. Auch der BGH hatte sich dem in der Lexfox-Entscheidung der Kritik angeschlossen und ausgeführt:
„Dies bedeutet indes nicht, dass ohne Weiteres bereits jede – auch geringfügige – Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis (§ 10 I 1 Nr. 1 RDG) stets auch die Nichtigkeit der auf die Verletzung des RDG gerichteten Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB zur Folge hat. So kann es Fälle geben, bei denen die Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis so geringfügig ist, dass noch nicht einmal ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliegt. Daneben kann es Fälle geben, bei denen ein solcher Verstoß zwar vorliegt, aber aufgrund einer verfassungsgemäßen Auslegung und Anwendung des § 134 BGB jedenfalls eine Nichtigkeit der diesem Verstoß zugrunde liegen- den Rechtsgeschäfte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu BVerfG NJW 2002, 1190 [1192]) nicht angenommen werden kann. (Hervorhebung hinzugefügt)
(BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208, 218 Rn. 90 [Lexfox I])
Diese differenzierte Sicht wird von der Instanzrechtsprechung häufig ignoriert oder mit kaum überzeugenden (und in der Revision dann vom BGH kassierten) Gründen abgelehnt.
(Beispiele der Rechtsprechung bei Rott, Verbraucherpolitischer Handlungsbedarf bei Legal Tech? – Gutachten vom 2.12.2023 für die „verbraucherzentrale Bundesverband“ (vzbv), S. 31 ff.; Hartung, Inkasso und Forderungsabwehr – Überlegungen zum Inkassobegriff anlässlich des Urteils des BGH vom 19.1.2022, VIII ZR 123/21, in LRZ vom 17.2.2022, Rn. 476 ff.)
Würde man die Rechtsdienstleistungsbefugnis nichtanwaltlicher Dienstleister erweitern, wäre das Problem der Überschreitung nicht gelöst, denn es gibt auch Entscheidungen, in denen Gerichte urteilen, dass bestimmte Rechtsbereiche nicht inkassofähig seien – einen vom Wortlaut der in Rede stehenden Vorschriften nicht gedeckte Auffassung und damit freie richterliche Rechtsschöpfung am Gesetz vorbei. Diesem Dilemma für Verbraucher kann nur durch eine Streichung der Nichtigkeitsfolge entgegnet werden. Damit ist dem Rechtsbruch keinesfalls Tür und Tor geöffnet, im Gegenteil: Rechtsdienstleister, die außerhalb ihrer Befugnisse handeln, riskieren ab dem 1. Januar 2025 nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 RDG ein Bußgeld. Daneben bestehen wettbewerbsrecht- liche und andere Schadensersatzrisiken. Dass man aber auch die Verbraucher bestraft, ist nicht einsehbar, denn diese können die Risiken nicht einschätzen. Deshalb bedarf es der Nichtigkeitsfolge nicht, die für die Dienstleister weniger schadensträchtig als für die Verbraucher wäre.
Sinnvoll wäre jedoch – angesichts der bestehenden Problematik – im Rahmen des § 11 Absatz 1 RDG eine besondere Sachkunde von nichtanwaltlichen Rechtsdienstleistern hinsichtlich der Reichweite der Regelungen des RDG zu fordern.
c) NEBENEINANDER VON RECHTSANWÄLTEN UND NICHTANWALTLICHEN RECHTSDIENSTLEISTERN
Es mag im Nebeneinander von Anwaltschaft und Legal Tech Dienstleistern im Einzelfall zu Abgrenzungsproblemen kommen. Die BRAK hat diese Behauptung nicht belegt, aber selbst wenn man sie für wahr unterstellen würde, dann handelte es sich immer noch um wenige Ausnahmen, die eine Rechtseinschränkung nichtanwaltlicher Dienstleister keinesfalls rechtfertigt, weil sie unverhältnismäßig wäre. Dass wiederum Inkassodienstleister „mehr dürfen“ als Rechtsanwälte, ist so richtig wie unmaßgeblich, denn umgekehrt dürfen Rechtsanwälte deutlich mehr als Inkassodienstleister.
Diese von den Anwaltsverbänden vorgeschobene Gleichstellung einerseits bei gleichzeitiger Klage darüber, dass Inkassodienstleister mit Blick auf Erfolgshonorare und Eigentümerstruktur „mehr dürfen“, ist scheinheilig: Denn die Beschränkungen der Anwaltschaft bezogen auf Honorar und Eigentümerstruktur sind hausgemacht. Die entsprechenden gesetzlichen Beschränkungen entsprechen den ausdrücklichen Wünschen von DAV und BRAK, die schon bei der leichten Öffnung der Befugnis, Erfolgshonorare zu vereinbaren, massiv Widerstand leisteten. Ähnlich zeigt sich die Situation bei der Beteiligung nichtanwaltlicher Gesellschafter zu Finanzierungszwecken („Fremdbesitzverbot von Kanzleien“).
d) EINSCHRÄNKUNG VON § 2 ABS. 2 RDG WÄRE UNVERHÄLTNISMÄßIG
Die Klagen der BRAK über Beeinträchtigungen der Anwaltschaft beruhen auf selbst- auferlegten Beschränkungen, die ideologisch, aber nicht evidenzbasiert sind. Die Besorgnis um den Verbraucherschutz ist vorgeschoben, denn das Gutachten für die vzbv belegt das Gegenteil: Danach ist eine komplette Streichung bzw. Beschränkung der Befugnis gerade nicht erforderlich. Vorgeschlagen werden einzelne Nachschärfungen des Gesetzes im Hinblick auf die Kommunikation zwischen Verbrauchern und Dienstleistern.
Wenn aber keine Evidenz für systemische Gefährdungen besteht, im Gegenteil, kleinere Korrekturen reichen, dann wäre es im Sinne der Verhältnismäßigkeit eben nicht erforderlich, Rechte insgesamt einzuschränken. Auch und gerade deshalb nicht, weil die Verbraucher durch die zahlreiche und stetig steigende Nutzung der bestehenden Angebote eindeutig deren Bedarf belegen.
Die Erweiterung der Befugnis von nichtanwaltlichen Dienstleistern durch Rechtsprechung und Gesetzgeber hat dazu geführt, dass den Verbraucherbedürfnissen besser gedient ist als vorher. Liegt der Fall so, sind nachträgliche Einschränkungen nicht vertretbar. Vielmehr wäre es Aufgabe der Anwaltschaft, sich ein Berufsrecht zu geben, das sie in die Lage versetzt, heutigen und künftigen Verbraucherbedürfnissen selbst gerecht zu werden.
5. FAZIT
Die Stellungnahme der BRAK überzeugt nicht, soweit gefordert wird, die Inkassoerlaubnis wieder oder noch weiter einzuschränken, um die Anwaltschaft zu schützen. Ein Wettbewerbsschutz der Anwaltschaft gehört ohnehin nicht zum Schutzzweck des RDG und wäre auch unabhängig davon verfassungsrechtlich kaum darstellbar. Verbraucherbelange werden durch die Tätigkeit von Rechtsdienstleistern bei weitem Verständnis der Befugnisse besser geschützt als umgekehrt. Das ergibt sich auch aus dem genannten Gutachten der Verbraucherzentrale Bundesverband. Wie der Name des hier zugrunde liegenden Gesetzes bereits impliziert, soll das Verbraucherrecht verbessert – und nicht wieder eingeschränkt werden. Die Nutzung der am Markt angebotenen Dienstleistungen ist das beste Indiz, dass sich Verbraucher hierdurch abgeholt fühlen und auch Rechte durchsetzen, die sie ansonsten überwiegend nicht geltend gemacht hätten (Zugang zum Recht). Eine Einschränkung der nichtanwaltlichen Dienstleister wäre daher unverhältnismäßig und verfassungswidrig. Ferner würde man durch die Forderung der BRAK, Verbrauchern den Zugang zu dem Angebot von Rechtsdienstleistungen ohne Kostenrisiko („no win, no fee“) weitgehend abschneiden. Sofern ein Schutz der Anwaltschaft für notwendig erachtet wird, so könnte dieser sehr viel effizienter erfolgen, indem die bestehende Asymmetrie der Möglichkeiten von Anwaltschaft und nichtanwaltlichen Legal Tech Rechtsdienstleistern (etwa im Bereich der Prozessfinanzierung und Fremdbeteiligung) aufgelöst bzw. zumindest abgeschwächt wird.