Berlin, 26. Juli 2024

Stellungnahme
des Legal Tech Verband Deutschland

Zum Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BT-Drucksache 20/10859)

Der Legal Tech Verband Deutschland (im Folgenden “Verband”) setzt sich für die Gestaltung eines fortschrittlichen und innovationsfreundlichen regulatorischen Umfelds ein, das Rechtssicherheit für Legal Tech Unternehmungen innerhalb und außerhalb von Rechtsanwaltskanzleien schafft. Wir bedanken uns für die Möglichkeit, zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes Stellung nehmen zu können.

1.  Hintergrund

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 27.03.2024 einen Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (Drucksache 20/10859) – BDSG-E – veröffentlicht, zu der zuletzt am 15.05.2024 die erste Beratung im Deutschen Bundestag stattgefunden hat.

Unter anderem geht um eine Neuregelung des Scorings mit dem neu eingeführten § 37a BDSG-E, der teilweise die bestehenden Regelungen des noch geltenden § 31 BDSG aufgreift und bisher nicht fortentwickelt, obwohl hiermit ein größerer Schutz von betroffenen Personen im Sinne der DSGVO geschaffen werden könnte und die unternehmerischen Prozesse dem digitalen Zeitalter angeglichen werden könnten.

2.  Einmeldungen bei Auskunfteien nach dem bisherigen § 31 Abs. 2 Nr. 4 BDSG und dem § 37a Abs. 3 Nr. 4 BDSG-E

Wirtschaftsunternehmen können bei negativen Zahlungserfahrungen – gemäß Ihrer vertraglichen Beziehung zu der jeweils relevanten Auskunftei – negative Zahlungserfahrungen (aktuelle offene Zahlungsposten) mitteilen, also sogenannte „Einmeldungen“ vornehmen. Rechtsgrundlage dafür ist nach geltendem Recht Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO; die Einmeldung dient der Wahrung berechtigter Interessen, auch der von anderen Wirtschaftsunternehmen. Ein berechtigtes Interesse in diesem Kontext nimmt die Deutsche Datenschutzkonferenz an, wenn die in dem noch geltenden § 31 Abs. 2 BDSG erwähnten Vorgaben erfüllt sind.

31 Abs. 2 BDSG regelt aktuell Folgendes:

(2) 1 Die Verwendung eines von Auskunfteien ermittelten Wahrscheinlichkeitswerts über die Zahlungsfähig- und Zahlungswilligkeit einer natürlichen Person ist im Fall der Einbeziehung von Informationen über Forderungen nur zulässig, soweit die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen und nur solche Forderungen über eine geschuldete Leistung, die trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist, berücksichtigt werden,

1.die durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil festgestellt worden sind oder für die ein Schuldtitel nach § 794 der Zivilprozessordnung vorliegt,

2.die nach § 178 der Insolvenzordnung festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind,

3.die der Schuldner ausdrücklich anerkannt hat,

4.bei denen

a) der Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden ist,

b) die erste Mahnung mindestens vier Wochen zurückliegt,

c) der Schuldner zuvor, jedoch frühestens bei der ersten Mahnung, über eine mögliche Berücksichtigung durch eine   Auskunftei unterrichtet worden ist und

d) der Schuldner die Forderung nicht bestritten hat oder

5. deren zugrunde liegendes Vertragsverhältnis aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werden kann und bei denen der Schuldner zuvor über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist.

2 Die Zulässigkeit der Verarbeitung, einschließlich der Ermittlung von Wahrscheinlichkeitswerten, von anderen bonitätsrelevanten Daten nach allgemeinem Datenschutzrecht bleibt unberührt.

Der nunmehr vom erwähnten Regierungsentwurf vorgesehene § 37a Abs. 3 BDSG-E lässt hier keine Neuheiten erkennen, obwohl es dringenden Änderungsbedarf aus Wirtschafts- wie auch Verbraucher*innen-Perspektive gibt. Hintergrund der als erforderlich angesehenen zu berücksichtigenden Änderungen besteht darin, dass es viele Vertragsverhältnisse zwischen Wirtschaftsunternehmen, die Waren und/oder Dienstleistungen anbieten, und Verbraucher*innen gibt, die online – also auf digitalem Weg – eingegangen werden und in denen die Verbraucher*innen gewohnt sind, digitale Kommunikation zur begründeten Forderung zu erhalten. Rechnungsversand, Mahnungen und auch Kommunikationen von – im Fall des Zahlungsverzugs – eingeschalteten Rechtsdienstleistern erfolgen oftmals ausschließlich per E-Mail, auch wenn eine Ware an die Rechnungs- oder eine davon abweichende Lieferadresse versandt worden ist. Eine schriftliche Kommunikation im Sinne des postalischen Versands von Rechnung, Mahnung oder weiterer Kommunikation findet oftmals in diesen Konstellationen nicht mehr statt.

Genau diese wird aber in zweifacher Ausfertigung als erforderlich angesehen, bevor es rechtmäßig vor einer Titulierung zu einer Einmeldung einer Forderung an eine Auskunftei kommen kann. Auch der im BDSG-E vorgesehene § 37a Abs. 3 Nr. 4 Buchstabe a) BDSG-E regelt, dass der/die Schuldner*in nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden sein muss.  Der im BDSG-E vorgesehene § 37a Abs. 3 lautet:

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 dürfen nur solche Forderungen über eine geschuldete Leistung, die trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist, berücksichtigt werden,

1.die durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil festgestellt worden sind

2.die nach § 178 der Insolvenzordnung festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind,

3.die der Schuldner ausdrücklich anerkannt hat,

4.bei denen

a) der Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden ist,

b) die erste Mahnung mindestens vier Wochen zurückliegt,

c) der Schuldner zuvor, jedoch frühestens bei der ersten Mahnung, über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist und

d) der Schuldner die Forderung nicht bestritten hat oder

5.deren zugrunde liegendes Vertragsverhältnis aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werden kann und bei denen der Schuldner zuvor über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist.

Die Regelung erscheint aus mehreren Gründen überholungsbedürftig.

3.  Kernforderung des Legal Tech Verbandes

Unsere Forderung lautet wie folgt:

Der § 37a Abs. 3 Nr. 4 Buchstabe BDSG-E sollte um einen Satz 2 wie folgt ergänzt werden:

Abweichend von § 37a Abs. 3 S. 1 Nr. 4a ist es ausreichend, wenn der Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens einmal schriftlich sowie mindestens einmal in Textform per E-Mail gemahntworden ist, sofern der Forderung ein Vertragsschluss zugrunde liegt, bei welchem für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet wurden.

4.  Erläuterungen

Unsere Forderung und den Vorschlag erläutern wir wie folgt:

Entscheiden sich Personen, digital Waren oder Dienstleistungen zu bestellen, kommunizieren sie zum Großteil auch weiterhin gern und zumindest fokussiert auf digitalen Kanälen. Wichtige Hinweise, wie der Unterrichtungshinweis auf eine bevorstehende Einmeldung bei einer Auskunftei, könnten, wenn eine digitale Bestellung und Kommunikation (inkl. Rechnungen und Mahnungen) bisher stattgefunden hat eher von den Personen (Schuldner*innen) wahrgenommen werden als ein Brief, der im Vergleich zur bisherigen „Customer Journey“ einen Medienbruch darstellt. Die Warnfunktion, die der Unterrichtungshinweis erfüllen soll, kann somit besser in der heutigen Zeit erfüllt werden.

Um dennoch in möglichen Identitätsdiebstahlsfällen, bei denen die Betrugsopfer nicht eine Mailadresse von sich zur Verfügung gestellt haben bzw. diese von den Betrügern angegeben wurde, einen Schutz vor bevorstehenden Einmeldungen zu gewährleisten, soll vor einer Einmeldung zumindest einmal ein physischer Brief den/die Schuldner*in erreichen.

Diese Umstellung, wie sie für die Neufassung des § 37a Abs. 3 S. 2 BDSG-E vorgeschlagen und angeregt wird, dient nicht nur dem Schuldner*inneninteresse, sondern hat für die einmeldenden Unternehmen nicht nur finanzielle Vorteile, da Portokosten gespart werden, sondern sie können damit – im Sinne von ESG-Kriterien – auch einen weiteren Beitrag in Sachen Nachhaltigkeit schaffen.