GEMEINSAM MIT WEITEREN JURISTISCHEN VERBÄNDEN FORDERT DER LEGAL TECH VERBAND EINEN DIGITALISIERUNGSSCHUB IN DER JURISTISCHEN AUSBILDUNG

Veröffentlichung einer gemeinsamen Stellungnahme zur Digitalisierung der juristischen Ausbildung

Die juristische Ausbildung in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Der demographische Wandel, die Notwendigkeit zur Digitalisierung und ein Mangel an Diversität erfordern eine grundlegende Modernisierung. Dies wird betont in einer gemeinsamen Stellungnahme mit juristischen Verbänden, die den dringenden Handlungsbedarf in der Reform der juristischen Ausbildung unterstreicht. Der Legal Tech Verband Deutschland unterstützt diese Forderung und betont insbesondere die Notwendigkeit, die juristische Ausbildung zeitgemäßer, praxisnäher und effizienter zu gestalten.

„Die Modernisierung des Rechtswesens und seiner Akteure ist kein Zukunftsthema, sondern eine aktuelle Notwendigkeit“, erklärt Alisha Andert, Vorstandsvorsitzende des Legal Tech Verbands. „Juristen und Juristinnen werden heute mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert – sei es durch den technologischen Wandel, oder durch die steigende Komplexität rechtlicher Fragestellungen verändernde Arbeitswelt. Die juristische Ausbildung muss darauf vorbereiten, indem sie praxisorientierter, interdisziplinärer und effizienter gestaltet wird. Es kann nicht sein, dass die Qualifizierung von Juristen und Juristinnen nach wie vor so lange dauert und talentierte Nachwuchskräfte auf dem Arbeitsmarkt fehlen.“

Der Legal Tech Verband fordert eine rasche und entschlossene Reform der juristischen Ausbildung, um die digitale Kompetenz der nächsten Generation von Juristen zu stärken. Gemeinsam mit anderen Akteuren der Rechtsbranche setzt sich der Verband für eine Ausbildung ein, die den Anforderungen einer modernen Informationsgesellschaft gerecht wird.

Über den Legal Tech Verband Deutschland

Der im Mai 2020 gegründete Verband bringt Marktakteure in Deutschland zusammen, die der Wunsch nach einer fairen und wettbewerbsfähigen Weiterentwicklung des modernen Rechtsmarktes verbindet. Zu den Mitgliedern zählen u.a. Legal Tech-Unternehmen, Kanzleien, Rechtsabteilungen, Rechtsschutzversicherer sowie Software- und Medienunternehmen. Im Fokus stehen die Themen Zugang zum Recht, neue Technologien und Geschäftsmodelle sowie Digitalisierung der Justiz.

PRESSEKONTAKT

Valerie Keilhau

presse@legaltechverband.de

 

Gemeinsame Presseerklärung

der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dem Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF), dem Deutschen Anwaltverein (DAV), dem Deutschen Juristinnenbund (djb) und der Neuen Richtervereinigung (NRV).

Der gemeinsamen Erklärung haben sich weiterhin angeschlossen:
Der Afro-Deutsche Jurist:innen e.V., der Legal Tech Verband Deutschland, das Netzwerk multikultureller Jurist*innen (NMKJ) sowie der Postmigrantischer Jurist*innenbund (PMJB).

Erstveröffentlichung am 20.02.2025, Berlin. Aktualisierte Fassung vom 03.03.2025.

 

Demographischer Wandel, Digitalisierung und Diversität:

Juristische Ausbildung zukunftsfähig machen

Das 21. Jahrhundert birgt viele Herausforderungen, denen sich unser Rechtsstaat resilient und selbstbewusst stellen wird. Hierzu muss auch die juristische Ausbildung ihren Beitrag leisten. Sie sollte Jurist:innen befähigen, Recht kritisch zu hinterfragen und gesellschaftlich einzuordnen. Unter Berücksichtigung dieser und weiterer Herausforderungen bedarf die aktuelle Konzeption der juristischen Ausbildung einer Umgestaltung, um zukunftsfähig zu werden. Insbesondere in den Bereichen demographischer Wandel, Digitalisierung und Diversität bestehen Nachholbedarfe, die ein zügiges und konsequentes Handeln der Politik erforderlich machen:

Demographischer Wandel
Der demographische Wandel stellt die volljuristischen Berufe zunehmend vor Probleme. Immer mehr Berufsträger:innen scheiden aus, immer weniger Nachwuchs kommt nach. Dies führt sowohl auf Seiten der Anwaltschaft als auch auf Seiten der Justiz zu erheblichen Nachwuchsproblemen. Im Ergebnis führt ein Mangel an Volljurist:innen zu einem erschwerten Rechtszugang der Gesamtbevölkerung. Die Gründe hierfür liegen auch in der abnehmenden Attraktivität und Retentionsfähigkeit der juristischen Ausbildung: Immer mehr Studienanfänger:innen entscheiden sich von Vornherein für einen Bachelor-Studiengang mit juristischen Bezügen, anstatt eine volljuristische Laufbahn einzuschlagen. Von den Studierenden hingegen, die eine volljuristische Ausbildung beginnen, brechen zu viele im Laufe der Ausbildung ab. Die Gründe, aus denen die juristische Ausbildung abgebrochen oder gar nicht erst aufgenommen wird, sind forschungsseitig umfassend dokumentiert und viele gute Vorschläge, wie die juristische Ausbildung zeitgemäß ausgestaltet werden kann, liegen bereits vor.

Digitalisierung
Die digitale Transformation, insbesondere die Ausweitung von Legal-Tech-Anwendungen, wird die Arbeit von Anwaltschaft und Justiz umfänglich beeinflussen und unter Umständen grundlegend verändern. Die neuen Bedingungen einer Informationsgesellschaft, der flächendeckende Einzug von Künstlicher Intelligenz, intelligente Datenbanken sowie die allgegenwärtige Datafizierung erfordern eine gründliche Revision der juristischen Ausbildung im Hinblick auf einschlägige Schlüsselkompetenzen. Der kritische Umgang mit Daten, (Des-)Information und Künstlicher Intelligenz müssen umfassend ausgebildet und in der Breite sichergestellt werden. Hierzu gehören auch das Verständnis von Datenqualitätsstandards, das Wissen um biasfreie und geschlechtergerechte Datenerhebung sowie das Erkennen und Bewerten von Diskriminierungsrisiken durch algorithmische Entscheidungssysteme. Gleichzeitig müssen auch solche Kompetenzen fokussiert werden, welche die Potenziale der digitalen Transformation nachhaltig erschließen, um den deutschen Rechtsstandort wettbewerbsfähig zu halten. Entsprechende Maßnahmen sind in den gesamten Verlauf der juristischen Ausbildung zu integrieren.

Diversität
In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise aus der Wissenschaft, dass die juristische Ausbildung im Allgemeinen und die juristischen Staatsprüfungen im Besonderen Diskriminierungseffekte zeitigen. Dies trägt mit dazu bei, dass verschiedene Gruppen und Diversitätsmerkmale in der Anwaltschaft und in der Justiz unterrepräsentiert sind. In einer Gesellschaft, die zunehmend vielfältiger wird, stellt die mangelnde Vielfalt unter Volljurist:innen ein ernstzunehmendes Risiko dar: Neben dem Fehlen vielfältiger Perspektiven, könnten mittelfristig auch die gesellschaftliche Akzeptanz sowie das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat leiden, wenn verschiedene Gruppen in der personellen Zusammensetzung von Anwaltschaft und Justiz nicht ausreichend repräsentiert sind. Daher sollte die juristische Ausbildung Ungleichheiten und strukturelle Diskriminierung in unserer Gesellschaft inhaltlich thematisieren sowie eigene Exklusionsmechanismen erkennen und abbauen.

Der deutsche Rechtsstaat hat in den letzten 75 Jahren viele Errungenschaften hervorgebracht. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, müssen jetzt die Weichen dafür gestellt werden.

Daher fordern die Verbände die kommende Bundesregierung auf, sich dieser und weiteren Herausforderungen in beiden Phasen der juristischen Ausbildung anzunehmen und gemeinsam mit den Ländern und den Verbänden wirksame Lösungen zu implementieren, um die juristische Ausbildung zukunftsfähig zu gestalten. Die Lösungen sollten ergebnisoffen erarbeitet sowie in enger Abstimmung mit den Interessenvertretungen und unter Berücksichtigung der neuesten Forschung zur juristischen Ausbildung entwickelt werden.